(xan) Sie ist wieder da die bedeutendste Litfaßsäule von Franfurt Oder Słubice .
Seit sie Ende vergangenen Jahres während der Bauarbeiten zur Umgestaltung
der Zigarettenstraße in eine Fußgängerzone verschwunden war, klaffte eine
Lücke an jenem Platz, an dem sowohl Słubicer auf dem Weg nach Frankfurt, als
auch zur Viadrina eilende Studenten, sowie Frankfurter unterwegs zum plac
Przyjazni vorbeikommen. Ein Ort, an dem drei Straßen aufeinander treffen und
zwei Friseursalons, ein Reisebüro, zwei "Drink Bars", ein Kiosk, ein
Tante-Emma-Laden sowie eine Apotheke liegen. Doch seit gestern ist sie
wieder da in einem dunklen Grünton angestrichen und mit einer roten Haube
versehen. Aus diesem Anlass versendet slubice.de & frankfurt.pl heute einen
Text über die "Anzeigensäule" als solche.
Zu den Unterschieden zwischen Frankfurt und Słubice gehört die jeweilige
Funktion der Litfaßsäule. Während die runde Werbefläche in Frankfurt eher
als Monument einer wenig belebten Kulturlandschaft wahrzunehmen ist, die
nicht viele Plakate zu bieten hat, so dass oft weiße Flecken zu sehen sind,
ist sie in Słubice Projektionsfläche öffentlichen Lebens hier sind immer
alle Säulen voll von Plakaten, Anschlägen und Annoncen. Egal ob Werbung für
einen Lombard, ein Plakat für eine Technoparty, eine Todesanzeige oder
Wohnungsannonce in Słubice darf jeder aufhängen, was er will die
Litfaßsäulen werden zwar von der Stadt verwaltet, aber nicht bewirtschaftet.
Dieses Chaosprinzip: "wer zuerst komm, klebt zuerst" hat etwas sehr
dynamisches, es ist anregend, demokratisch und überhaupt sehr nützlich: man
erfährt sehr schnell von Neuigkeiten, die Litfaßsäule ist so ein
öffentlicher Ort, an dem die virtuellen Fäden von Wohnungssuchenden,
Trauernden, Geschäftstüchtigen und Kulturschaffenden zusammenlaufen. Während
es in Frankfurt, wo viele Litfaßsäulen an den Rändern von Grünanlagen oder
Fußwegen stehen, fast altmodisch erscheint, Plakate auf Litfaßsäulen
anbringen zu lassen, bieten diese in Słubice, wo sie mitten in
Fußgängerpassagen oder direkt an Straßenkreuzungen stehen, die beste
Möglichkeit, Informationen quer über die Stadt zu streuen. Das führt
allerdings auch dazu, dass immer wieder Mißverständnisse oder gar
Konfliktsituationen entstehen. So wurde kürzlich ein Plakat für eine
Veranstaltung im Kleist Forum von Plakaten für das Oderfest komplett
überklebt, woraufhin eine Gruppierung der polnischen Europaskeptiker eine
Aktion startete, die vor der "Okkupation durch Brüssel" warnte. Die Werbung
für die Homepage , auf der
Antiosterweitungsnachrichten propagiert werden, verdeckte schon am nächsten
Tag eine Vielzahl der Plakate, die durch die Europäische Union finanziert
wurden. Auch wenn diese Schnelllebigkeit den interessierten Zeitgenossen
leicht zur Weißglut treiben kann, handelt es sich immerhin um eine Dynamik
und das in einer Stadt, in der an sich nicht viel passiert. Zumindest auf
kulturellem Gebiet gibt es in Słubice weit weniger anzukündigen als in
Frankfurt. Dennoch wirkt die Frankfurter Litfaßsäulenlandschaft im Vergleich
zu der, die sich am anderen Oderufer erstreckt, wie ausgestorben.
Auffällig ist auch die Scheu vieler Frankfurter Kultureinrichtungen, in
Słubice Plakate anzubringen. Warum werden nicht regulär Konzerte,
Theateraufführungen, Festivitäten in Polen mitbeworben? Oft ist die Angst,
die Grenze zu überschreiten, um mit einem deutschen Plakat nach Polen zu
gehen, der Grund. Oft ist es der zusätzlich finanzielle Aufwand, die
Plakatierung auf den Weg zu bringen oder gar eine polnische Version der
Ankündigung drucken zu lassen. Aber oft ist es auch die geistige Landkarte,
auf der Słubice kaum deutliche Umrisse annimt. Selten ist es die Erfahrung:
wir haben es probiert, aber niemand ist gekommen. An dieser Stelle sollte
man vielleicht bemerken, dass noch wesentlich seltener ein Słubicer Plakat
den Weg nach Frankfurt gefunden hat. Die Information, dass man bei der
Frankfurter DeutschenStädteMedien GmbH mit einem freundlichen Anschreiben
den Erlass von Gebühren erwirken kann, ist scheinbar bisher nicht nach
Słubice gedrungen.
Die Litfaßsäule und mit ihr die Außenwerbung ist damit ein öffentlicher
Bereich, an dem man sehr genau den Stand der Zusammenarbeit beider Städte
und das Wissen übereinander ablesen kann. Die scheinbare Normalität birgt
mehr Hürden als die wohl markierte Staatsgrenze. 27.6.2002