(mjh) Einmal Berichterstatter bei einem Filmfestival sein...
Einen Film nach dem anderen sehen - ja, das Kino fast
nicht mehr verlassen.
Fünf Jahre lang lief die Berlinale an mir vorbei -
dabei waren es nur 80 Kilometer bis zu einem der
größten Filmfestivals in Europa. Jetzt war ich dabei -
nicht ohne Anlass. Schließlich feierte heute der Film
"Lichter" von Hans-Christian Schmid Weltpremiere, ein
Film der in Frankfurt Oder Slubice gedreht wurde, und der
von dem Leben hier handelt. Im Gegensatz zum Kurzfilm
"Grenze" oder sogar zu "Halbe Treppe", werden hier
Geschichten von beiden Seiten der Oder erzählt.
Genauer gesagt 5 Geschichten, um, an und über die
Grenze.
12:10 - vor den Treppen zum Saal sammeln sich
Journalisten aus aller Welt - in 20 Minuten beginnt
die Pressevorführung mit anschließender
Pressekonferenz. Überall nur rote
Akkreditierungsmarken, nur einige wenige stehen mit
normalen Tickets rum. Dann geht's los. Der Saal füllt
sich langsam, bis halb ist er voll. Mit 7-minütiger
Verspätung beginnt der Film, und schon die erste
Überraschung: er wird vertrieben vom
Hollywood-Potentaten 20th Century Fox. Aber schon
geht's los, erste Szene: eine Gruppe
Russischsprachiger steigt aus einem Laster - sie sind
auf dem Weg ins Gelobte Land: Berlin, Germania.
Was sie nicht wissen ist, dass sie vor Slubice raus
gelassen werden, und so müssen sie später enttäuscht
vor dem "Slubice"-Schild feststellen: das ist nicht
Berlin!
Erzählt werden Geschichten von Menschenschmugglern,
Zigarretenschmugglern, Studenten, Taxifahrern,
Übersetzern und einem Unternehmer, der sein Glück als
"Matratzen-König" sucht. Dieser Herr, ein gewisser
Ingo, hat schon mehrmals versucht, in Frankfurt Fuss
zu fassen, doch nach einem weiteren Rückschlag ist es
er, der voller Wut und Enttäuschung Frankfurt als
"scheiss-marode Drecksstadt" bezeichnet. Nein,
glücklich ist in diesem Film niemand, enttäuscht
sind viele. Das Leben ist kein Zuckerschlecken - das wissen
auch die Studentinnen, die sich als "Begleitung"
deutscher und polnischer Investoren ihr Geld verdienen
müssen. Diese Geschäftsmänner wollen am Oderufer,
mitten im Sumpf, eine Textilfabrik bauen - eine
ungewollte Anspielung?
Am Ende schaffen es einige, andere nicht: wie im
Leben. Aber das Leben an der Grenze, an dieser Grenze,
die für die ukrainischen Emigranten sehr real ist,
einer Grenze, hinter der im Nebel man schon die
Lichter der besseren Welt sehen kann, ja diese Grenze
macht niemanden richtig glücklich. Auch nicht Sonja,
die als Übersetzerin beim BGS arbeitet und eines Tages
zur Überzeugung gelangt, aus moralischer Pflicht einem
Ukrainer, der über die Oder geschwommen ist, zu helfen.
Selbst der Taxifahrer, gespielt vom polnischen Star
Zbigniew Zamachowski, lernt die Grenze vor allem
als Ort kennen, wo deutsche Kunden zu finden sind.
Es gibt auch lustige Momente im Film, etwa als Sonja
ihrem Freund beibringt, statt "Slubitsch", "Slubice"
zu sagen. Oder als eine Szene in einem
Studentenwohnheim gedreht wird - nur waren die echten
Slubicer Wohnheime zu neu, und so musste ein
Plattenbau in der ul. Sienkiewicza genutzt werden.
Auch einige bekannte Gesichter traten in Erscheinung -
Statisten aus der Studierendenschaft.
Alles in allem ein sehenswerter Film, der auch einen
kurzen Applaus von Seiten der Akkreditierten bekam.
Dann ging man über zum Tagesgeschäft, z.B. zur
Pressekonferenz mit den Machern. Aber da war ich
bereits auf dem Weg in ein anderes Kino, um einen
schönen spanisch-kanadischen Film zu sehen. Vom einen
Kino ins andere.
Ja, einmal Berichterstatter von einem Filmfestival
sein. 11.2.2003
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